ZEN


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Zum Kloster des Meisters Chao-chou kam ein junger Anhänger des Zen. Der Meister empfing ihn in seiner Zelle und fragte: "Warst du früher schon einmal bei mir?" Der Jüngling verneinte. "Gut", sprach der Meister, "dann trink erst einmal eine Tasse Tee." Damit entließ er ihn. Wenig später kam ein zweiter Schüler zu Meister Chao-chou. Auch ihm stellte er die gleiche Frage, und der zweite Jüngling bejahte. "Gut", sprach der Meister, "dann trink erst einmal eine Tasse Tee."

Das beunruhigte den Vorsteher des Klosters. "Meister", sagte er, "ich verstehe das nicht. Ihr fragtet die beiden Novizen dasselbe. Der eine sagte ja, der andere nein, und dennoch erhielten sie dieselbe Antwort. Was habt ihr damit gemeint?" - "Klostervorsteher!" rief der Meister. - "Ja", erwiderte der. - "Trink erst einmal eine Tasse Tee."


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Ein Mann begegnete auf seinem Weg einem Tiger. Er floh, der Tiger verfolgte ihn. An einer Klippe ergriff er eine wilde Weinrebe und schwang sich über den Rand. Von oben fauchte der Tiger nach ihm. Voller Angst blickte der Mann tief hinunter und sah am Fuße der Klippe einen zweiten Tiger, der darauf wartete, daß er ihn fressen konnte. Zu allem Überdruß begann nun eine Maus, an der Weinranke zu nagen.

In diesem Augenblick erblickte der Mann eine saftige Beere nahebei. Mit der einen Hand hielt er sich an der Ranke fest, mit der anderen pflückte er die Beere. Wie köstlich sie schmeckte!


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Grenzenlose Leere, die voller Entwicklungsmöglichkeiten steckt, hat ihre Form in den in Erscheinung tretenden und sich dann wieder verflüchtigenden Dingen der sichtbaren Welt. Das ist die fundamentale Wahrheit des Buddhismus:

"Gestalt ist Leere und Leere Gestalt."

Die moderne Physik ist gerade dabei, auf den ihr eigenen komplizierten Wegen sich zu dieser Erkenntnis vorzuarbeiten.


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Irgendwann einmal kam ein Schüler zu mir und erklärte, er sei deprimiert, weil er erkannt habe, daß es nichts gebe, woran man sich halten könne.

Ich lachte, und er wollte wissen, warum ich lache. Ich sagte: "Warum, glaubst du, haben sich die alten Zen-Leuchten ständig über alles lustig gemacht?" Er lachte.

Der größte Witz im Universum ist, daß es nichts gibt, woran man sich halten könnte. Wenn man diesen Witz verstanden hat, so verfügt man über die Freiheit aufzustehen, sobald der Wecker klingelt.

Aitken Roshi


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Meister Yün-men trat vor die versammelten Mönche und hielt ihnen einen Stock vor das Antlitz. Dabei fragte er: "Was ist das? Ich erlaube euch nicht, es einen Stock zu nennen, doch nennt ihr es nicht einen Stock, so ist das falsch. Also wie wollt ihr es nennen?"


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Unter den großen Dingen unter uns ist das Sein des Nichts das größte.

Leonardo da Vinci


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Alles ist euer Leben

Tag und Nacht, was immer euch begegnet, ist euer Leben; daher sollt ihr euer Leben der Situation anpassen, der ihr im Augenblick begegnet. Verwendet eure Lebenskraft dazu, aus den Umständen, die auf euch zukommen, eine Einheit mit eurem Leben zu gestalten und die Dinge an ihren richtigen Platz zu setzen.
Dogen


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Chao-chou fragte seinen Lehrer Nan-tjüan: "Was ist der wahre Weg?"
Nan-tjüan erwiderte: "Der alltägliche Weg ist der wahre Weg."
Wiederum fragte Chao-chou: "Kann man den Weg erlernen?"
Nan-tjüan sagte: "Je mehr du lernst, desto weiter kommst du vom Weg ab."
Darauf fragte Chao-chou: "Wenn man dem Weg nicht durch lernen näherkommen kann, wie kann man ihn erkennen?"
Nan-tjüan sprach: "Der Weg ist kein sichtbares Ding. Er ist auch kein unsichtbares Ding. Er ist nichts Erkennbares und auch nichts Unerkennbares. Suche ihn nicht, lerne ihn nicht, nenne ihn nicht! Sei weit und offen wie der Himmel, und du bist auf dem Weg."


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Die Wiese ist grün; die Blume ist rot.


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Die Blume ist nicht rot, noch ist die Wiese grün.


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So sollst du von dieser ganzen fließenden Welt denken:
Ein Stern am Morgen,
Eine Blase in einem Strom;
Ein Blitz in einer Sommerwolke,
Eine flackernde Lampe,
Ein Gespenst und ein Traum.

Buddha


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Eines Tages fiel Chao-chou in den Schnee und rief:
"Helft mir auf! Helft mir auf!"
Ein Mönch kam und legte sich neben ihn.
Chao-chou stand auf und ging davon.


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